
Datum der Veröffentlichung: 13 Juni 2021
Egal ob in der Han-Dynastie in China, der Antike im römischen Reich oder der Neuzeit in Amerika: Schon immer sehnten sich die Menschen nach exklusivem Schmuck und Mode, um einen besonderen Rang in der Gesellschaft zu erhalten.
Dabei umfasst der Begriff Luxusmode nicht nur die Kleidung, sondern auch Schmuck, Weine, Kosmetik und Uhren.
Diese scheinbar zeitlose Palette an Luxusartikeln wird in der heutigen Zeit von keinem Konzern mehr abgedeckt, als von Moet Hennessy Louis Vuitton (LVMH).
Das französische Unternehmen, das 1987 gegründet wurde, beschäftigt nun knapp 170.000 Mitarbeiter und ist gemessen an Umsatz und Marktkapitalisierung das größte Luxusunternehmen.
Hätte man im Gründungsjahr 1000€ in LVMH Aktien investiert, wären die Aktien heute 66.000€ wert (ohne Berücksichtigung von Dividenden!).
Seit 2009 betrug die durchschnittliche Jahresperformance ca. 20%

Quelle: comdirect.de
Die sensationelle Erfolgsstory ist also nicht von der Hand zu weisen. Aber warum war LVMH so erfolgreich und lohnt es sich jetzt noch einzusteigen?
Geschäftsmodell
LVMH besitzt 70 Luxusmarken in fünf Segmenten: “Watches & Jewelery” (Uhren und Schmuck), “Wines & Spirits” (Wein und Spirituosen), “Perfumes & Cosmetics” (Perfürm und Kosmetik), “Fashion & Leather Goods” (Kleidung) und “Selective Retailing and other Activities” (Einzelhandel und andere Aktivitäten)
Der Großteil des Umsatzes entsteht aus dem Segment der Kleidung.


Quelle: LVMH (Investor Relations)
Das Geschäftsmodell ist nicht einfach nur das Produzieren und der anschließende Verkauf von Gütern. Um das Geschäftsmodell hinter Luxusartikeln zu verstehen, muss man wissen, dass das Einzige ist, was einen Artikel zum Luxusartikel macht, seine Exklusivität ist. Nur für exklusive Artikel sind bestimmte Kunden bereit exorbitant hohe Preise zu zahlen. Manchmal kaufen Kunden sogar umso mehr Produkte, je höher der Preis ist. Dieses Phänomen steht natürlich jeder konventionellen Marktlogik diametral gegenüber und ist auch nur auf dem Luxusmarkt beobachtbar.
Die Aufgabe von LVMH ist es also nicht nur, neue Produkte zu erfinden oder die Verkaufszahlen zu steigern, sondern auch die Exklusivität der Produkte zu erhalten, damit das Geschäftsmodell überhaupt funktioniert.
So hat LVMH noch nie Rabatte für seine Produkte angeboten. Preisnachlässe würden nämlich das Image von Luxusartikeln schwer beschädigen. Außerdem wären Kunden unzufrieden, die ein Produkt vor einem Rabatt gekauft haben. Mit dem Verzicht auf Preisnachlässen, stellt man sicher, dass ein Kunde sich sicher sein kein, dass die Exklusivität eines Produktes immer erhalten bleibt und es kein anderer günstiger erwerben kann, sodass die Prestigewirkung seines Artikels erhalten bleibt.
Eine weitere Strategie von LVMH ist das Vernichten seiner eigenen Produkte. Was auf den ersten Blick unglaublich erscheinen mag, ist eine ziemlich bewährte Strategie für den Luxushersteller. So bringen sie immer nur eine kleine Stückzahl von einer neuen Kollektion heraus, um zu testen, wie die neue Kollektion bei den Kunden ankommt. Falls die Produkte nicht gut bei den Kunden ankommen, vernichten sie ein Großteil der Ware, um eine künstliche Knappheit zu erzeugen. So gibt es dann wieder mehr Nachfrager als das Angebot groß ist und sie erhöhen sogar die Preise der restlichen Produkte. Hier kommt es also in erster Linie darauf an, eine möglichst hohe Marge zu haben und nicht nur einfach die Verkaufszahlen zu steigern.
Zielgruppe
Eine Studie über die Zusammensetzung des Luxusmarktes aus dem Jahr 2019 gibt einen detaillierten Überblick über die Zielgruppe von Luxusunternehmen. So verfügt der absolute Großteil der Käufer über ein Haushaltseinkommen von mind. 125.000 USD. Lediglich die Minderheit der Käufer sind Angehörige der Mittelschicht. Besonders interessant ist, dass 60% der Kunden das Geld geerbt haben. Dies kann dadurch erklärt werden, dass Menschen, die sich ihr Vermögen selbst erarbeiten, ein anderes Verhältnis zu Geld haben. Erben neigen eher dazu, das Geld öfters auszugeben. Zudem sind rund Zwei Drittel der Luxusnachfrager unter 45 Jahre alt.
So ergibt sich ein klares Bild über den durchschnittlichen Kunden von LVMH: Jung und wohlhabend (Wohlstand vor allem durch Eltern erwirtschaftet). LVMH profitiert also sehr stark von dem Trend, dass es sowohl immer mehr Reiche global gibt, als auch, dass die Reichen ihr Vermögen deutlich stärker als die Durchschnittsbevölkerung steigen können. Insbesondere in Asien nimmt die Anzahl an reichen Personen immer weiter zu. So trägt der asiatische Markt sogar mehr zum Umsatz als der amerikanische Markt bei.

Quelle: LVMH (Investor Relations)
Motiv
Für viele Menschen (mich eingeschlossen) mag es absurd vorkommen, dass Menschen bereit sind, 4.000€ für eine Tasche oder einen Rucksack zu bezahlen, der genau dieselbe Funktionsweise wie alle anderen auch hat.
Die Motive der Konsumenten sind das Selbstwertgefühl und das Zugehörigkeitsgefühl. So kaufen sie einerseits die Produkte, um ihre inneren Bedürfnisse nach Selbstwertschätzung zu befriedigen. Andererseits auch, um der Gesellschaft zu vermitteln, dass man einer hohen Schicht angehört und man über eine hohe Kaufkraft verfügt. Somit decken die Luxuskonzerne nicht das Bedürfnis nach Kleidung, sondern das Bedürfnis nach Selbstwertschätzung und sozialer Anerkennung ab. Die beiden Bedürfnisse sind in der Natur des Menschen tief verankert. Dies ist auch der Grund dafür, dass sich manche Menschen schon seit jeher mit besonderer Kleidung, Schmuck oder anderen Gegenständen vom Rest der Gesellschaft absetzen möchten. Die Luxusbranche ist also einer der ältesten Industrien in der Menschheitsgeschichte. Das bedeutet auch, dass das Geschäftsmodell einer der zukunftssicheren ist, da diese Bedürfnisbefriedigung immer nachgefragt wird.
Strategie
Wie eben geschildert, ist es die Hauptaufgabe von LVMH die Exklusivität der Marken aufrecht zu erhalten. Da es allerdings sehr schwierig ist, eine Marke komplett neu aufzubauen, da es meistens ein sehr langer Prozess ist, bis die Marken als exklusiv anerkannt werden, hat LVMH in der Vergangenheit oft auf Übernahmen gesetzt. Das hat den Vorteil, dass LVMH lediglich den Ruf der Marken pflegen muss, aber nicht den langen Prozess der Etablierung einer Marke mitmachen muss. Hier ein Überblick über die Übernahmen in den letzten Jahren:

Quelle: Financial Times
Ein weiterer Aspekt der Unternehmensphilosophie ist die Eigenständigkeit der Marken. Alle 70 Marken dürfen sehr selbstständig agieren, was ihnen eine hohe Flexibilität gewährleistet. Sie profitieren von der Marktforschung und den Distributionskanälen des Mutterkonzerns, allerdings dürfen sie eigenständige Entscheidungen treffen. Diese dezentrale Struktur ist mit Berkshire Hathaway zu vergleichen, die diese Strategie ebenfalls mit großem Erfolg umsetzen.
Auch positiv zu bewerten ist, dass LVMH ein familiengeführtes Unternehmen ist. Die Familie hält 47,5% der Anteile und Bernault Arnault leitet das Unternehmen. Seine Kinder führen jetzt bereits schon einzelne Segmente, z.B. Alexandre Arnault ist der CEO von Rimova. So werden die Nachfolger jetzt schon an die unternehmerische Tätigkeit herangeführt, sodass das Unternehmen voraussichtlich noch über eine sehr lange Zeit ein familiengeführtes Unternehmen bleibt. Warum Familienunternehmen in der Regel sehr vorteilhaft für den Aktionär sind, haben wir in diesem Artikel beschrieben.

Quelle: LVMH (Investor Relations)
Kennzahlenanalyse

Quelle: Unternehmensdaten, Market Spider Berechnungen
Wie man sieht schneidet LVMH bei dem Wachstum, der Profitabilität und der finanziellen Stabilität schlechter als seine Peer-Group ab. Das bedeutet allerdings keineswegs, dass LVMH qualitativ schlechter als seine Konkurrenz ist, sondern es lässt sich vielmehr auf seine Größe zurückführen. Größere Unternehmen können sich grundsätzlich höhere Verschuldungsstände erlauben. Zudem ist es üblich, dass die Gesamtkapitalrendite geringerer ist, aufgrund des fallenden Grenznutzens des Kapitals. Das bedeutet, dass LVMH schon viele sehr profitablen Investitionen getätigt hat, aber aufgrund seiner Größe nun auch in Projekte investieren muss, die eine geringe Profitabilität haben, als die, die sie getätigt haben, als sie noch kleiner waren. Das etwas schwächere Umsatzwachstum ist auch natürlich bei großen Unternehmen. Zudem wurde der Zeitraum von 2015-2020 gewählt. Dies bedeutet, dass die schwachen Umsätze im Corona-Jahr 2020 ebenfalls mit enthalten sind. Ohne diesen Sondereffekt würde das Umsatzwachstum bei allen vier Unternehmen deutlich höher ausfallen.
Ein Blick auf die Größe der Unternehmen zeigt, dass LVMH deutlich größer als seine Konkurrenten ist und daher die schwächeren Zahlen nicht besorgniserregend sind:

Quelle: Market Spider Darstellung
Nichtsdestotrotz müssen die Kennzahlen natürlich später in die Kalkulation des fairen Wertes einbezogen werden.
Ein wichtiger Aspekt, den es hier besonders hervorzuheben gilt, ist die Entwicklung der Verschuldung.
Bewertung
Historische Bewertung

Quelle: Market Spider Berechnungen
Man sieht, dass LVMH deutlich über seinem historischen 10 Jahres Schnitt liegt. Dies ist in diesem Fall besorgniserregend, da sie nicht mehr so viel Wachstumspotenzial wie früher haben. Sie müssten also eigentlich niedriger als im historischen Schnitt bewertet werden.
Nun könnte es natürlich sein, dass sie früher einfach nur sehr unterbewertet waren oder sich das aktuelle Umfeld (z.B. Zinsen) geändert hat, sodass die Aktie trotzdem nicht überbewertet ist. Daher wird im nächsten Schnitt der Aktie mit Hilfe der Discounted Cash-Flow Analyse bewertet.
Discounted Cash-Flow Analyse
Um ein möglich präzises Bild über den inneren Wert und die momentane Abweichung von diesem abgeben zu können, eignet sich die Discounted Cash-Flow (DCF) Analyse am besten.
Für LVMH nehme ich Kapitalkosten von 8% an. Manche mögen vielleicht anmerken, dass das Geschäftsmodell so sicher ist, dass man Kapitalkosten unter den marktüblichen 8% annehmen sollte. Das stimmt auch grundsätzlich. So würde ich niedrigere Kapitalkosten aufgrund des Geschäftsmodells verwenden. Allerdings wird dieser Kapitalkostenabschlag unter anderem durch LVMHs Verschuldung wieder kompensiert. So sind die Kapitalkosten von 8% sogar insgesamt eher niedrig und positiv für den Konzern ausgelegt.
Für das Jahr 2021 wird ein freier Cashflow pro Aktie von rund 26€ erwartet. Für die Zukunft prognostiziere ich ein durchschnittliches Gewinnwachstum von 6% pro Jahr. Aufgrund von Aufholeffekten durch die Corona-Krise kann das Gewinnwachstum kurzfristig auch höher liegen, allerdings denke ich, dass der gemittelte Wert über 10 Jahre bei rund 6% p.a. liegt.
Zudem muss man noch die Nettoschulden auf den aktuellen Wert addieren.
So ergibt sich ein fairer Wert pro Aktie von ca. 485€. Der aktuelle Marktpreis beträgt allerdings 674€. Wenn man noch die Schulden addiert, ergibt sich ein aktueller Preis von 710€ und ein Abwärtspotenzial von -32% zum inneren Wert.

Quelle: Market Spider Berechnungen
Fazit
Meine Berechnungen sind zwar generell etwas konservativer als die von vielen Analysten, allerdings gibt es Aktien, die- auch unter meinen Annahmen-ein besserer Chancen/Risiko Profil als LVMH bieten. Fairerweise muss man sagen, dass aufgrund der niedrigen Zinsen, des guten Managements von LVMH und der Sicherheit des Konzerns, LVMH schon fast immer mit einem Aufschlag zum inneren Wert gehandelt wurde, sodass ich mit der Differenz zwischen aktuellem und innerem Wert keineswegs insinuieren möchte, dass ich glaube, dass die Aktie um 32% fallen wird. Ganz im Gegenteil, ich denke, dass die Aktie auch in Zukunft mit einem gewissen Aufschlag zum inneren Wert gehandelt wird- wie groß dieser Aufschlag sein wird, kann ich aber nicht sagen.
Abschließend kann ich sagen, dass diejenigen, die bereits LVMH Aktien besitzen, sich sehr glücklich schätzen können, Anteilseigner eines hervorragend geführten Unternehmens mit einer erstaunlichen Preissetzungsmacht zu sein. Daher würde ich bestehende Aktionäre das Halten von LVMH Aktien empfehlen. Falls Sie noch keine Aktien von LVMH besitzen, aber von dem Unternehmen überzeugt sind, empfehle ich auf einen besseren Einstiegszeitpunkt zu warten (HOLD-Rating).