Die aktuelle Immobilienmarktsituation

Einleitung

 

Die Immobilie zählt zu einer der beliebtesten Anlageklassen in Deutschland. Niedrigere Zinsen und mangelnde Alternativen, haben dem Betongold in den letzten zehn Jahren einen gigantischen Aufwind beschert. So konnten sich die Immobilienbesitzer über Wertsteigerungen freuen, die es so fast noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik gegeben hat: 

 

Quelle: vdpResearch

Laut einer Umfrage sind 80% der Deutschen der Immobilie sehr positiv eingestellt und verbinden mit dem Anlageobjekt am häufigsten Stabilität, Inflationsschutz und Renditemöglichkeiten.  
Viele Leute stellen sich nun aber- angesichts der hohen Immobilienpreise- die Frage, ob sich ein Einstieg jetzt noch lohnt oder ob der Zug schon abgefahren ist. 

 

Neben den konventionellen Chancen und Risiken, wie z.B. Inflationsschutz, Klumpenrisiko, etc., zielt dieser Artikel auf eine tiefgreifende Analyse der Zusammenhänge in der Immobilienwirtschaft ab. Dabei werde ich auch auf makroökonomische Faktoren, wie z.B. die Veränderung der Zinslandschaft und Demographie eingehen, um die Eingangsfrage evaluieren zu können. 

Inflation

Ein wichtiger Indikator für weiter steigende Immobilienpreise, der von vielen übersehen wird, ist die Inflation. Im Zuge der expansiven Geldpolitik in den entwickelten Ländern (als Reaktion auf die Corona-Krise) stieg die Inflation stark an. Allgemein ist damit zu rechnen, dass diese sich fortsetzen wird, da die privaten Haushalten nun ihren Konsum teilweise noch nachholen werden.
Zudem haben die Notenbanken in der westlichen Welt bereits bekräftigt, dass die den aktuellen Kurs der lockeren Geldpolitik in näherer Zukunft auch so fortsetzen werden.
 
Besonders stark ausgefallen ist die Inflation auf dem Rohstoffmarkt. Da für den Bau einer Immobilie Rohstoffe benötigt werden, liegt die Vermutung nahe, dass der Bau von Häusern teurer wird, was das Angebot verknappt und die Immobilienpreise ansteigen werden. Auch Bestandsimmobilien dürften an Wert gewinnen, wenn die Rohstoffe teurer würden.  
Die fünf Rohstoffe, die am häufigsten für den Bau einer Immobilie verwendet werden sind: Beton (Zement), Stahl, Kalksandstein (Sand), Tonziegel (Ton) und Holz. 
Diese Tabelle zeigt den Preisanstieg der genannten Rohstoffe im Zeitraum von Mai 2020 bis Mai 2021.

Quelle: Market Spider Darstellung

Diese, teils sehr kräftigen, Preisanstiege sind auf die globale Wirtschaftserholung zurückzuführen. Die Nachfrage steigt sehr stark und die Produktionskapazitäten sind teilweise immer noch zurückgefahren. Da die Nachfrage durch die expansive Geld- und Fiskalpolitik entsteht, ist damit zu rechnen, dass sich dieser Trend weiterhin fortsetzen wird- wenn vielleicht nicht mehr mit derselben Geschwindigkeit.  

Ein Blick auf die Preisentwicklung der Immobilien zeigt, dass die Preise im selben Zeitraum um sagenhafte 9,5% gestiegen sind. Dies ist für den Immobilienmarkt, dessen durchschnittliche Jahresrendite bei ca. 3%, immens. 

Hier lässt sich eine eindeutige Korrelation zu der obigen Tabelle erkennen, sodass es logisch erscheint anzunehmen, dass steigende Baumaterialien zu steigende Immobilienpreisen führen. 

Zinsen

 

 

 

 

Allerdings birgt die expansive Geld- und Fiskalpolitik auch ein Risiko für den Immobilienmarkt.  
Immobilien wurden nämlich beliebt, als die Zinsen sanken, da die Aufnahme von Fremdkapital günstiger wurde. Da Immobilien sehr häufig fremdfinanziert sind, hängt die Popularität von Immobilien von den Zinsen ab.  

Quelle: calculatedriskblog.com

Wie in der obigen Grafik ersichtlich gibt es eine stark negative Korrelation zwischen Zinsen und Immobilienpreise. Fallende Zinsen führen zu steigenden Immobilienpreisen. Das Problem aktuell ist, dass die niedrigen Zinsen bereits im Kaufpreis eingepreist sind. Da die Zinsen allerdings bereits bei 0% liegen, gibt es Überraschungspotenzial für Zinserhöhungen. Sollten die Zinsen nämlich wieder steigen, würde viele Immobilieninvestoren in Finanzierungsschwierigkeiten kommen, sodass sie ihre Immobilien verkaufen müssten und die Immobilienpreise sinken würden.  
Das Risiko einer Zinserhöhung ist keineswegs von der Hand zu weisen, da die Notenbanken erfahrungsgemäß höhere Inflationen mit diesem Schritt bekämpfen. So könnte zwar eine höhere Inflation erst vorteilhaft für Immobilien sein, mittel-bis langfristig jedoch eine sehr schädliche Wirkung entfalten. 

Nun haben wir uns zwei makroökonomische Faktoren angeschaut, die einen Einfluss auf die Immobilienpreise haben könnten: Inflation und Zinsen. 
Das Problem ist, dass diese sehr schwierig vorherzusehen sind und deshalb für eine realistische Prognose nur begrenzt von Nutzen sind. 
Trotzdem war es mir wichtig, diese anzuführen, um das Bewusstsein zu schärfen, dass die Lage für Immobilien (unter dem Gesichtspunkt der Zinsen) sehr vorteilhaft ist. Und daran liegt die Gefahr: Viel besser kann die Lage nicht werden, allerdings schlechter schon.  

Mieten

Neben den Zinsen wird der Wert einer Immobilie von einem Faktor maßgeblich bestimmt: der Miete. 

So wird oftmals der faire Wert einer Immobilie durch die Mietenfaktor berechnet. Dieser setzt den Kaufpreis im Verhältnis zur Miete. Es geht also darum, wie viele Jahre es dauert (bei der aktuellen) Miete, bis der Käufer den Kaufpreis wieder durch die Mietzahlungen eingenommen hat. Ein Faktor von 20 sagt somit, dass ein Immobilienkäufer nach 20 Jahren seinen ursprünglichen Kaufpreis durch die Mieten eingenommen hat.  
Dieser Zusammenhang ist auch logisch: Eine Immobilie, von der man eine hohe Miete erhält, ist mehr wert als eine, in der man nur eine niedrige Miete verlangen kann.  
Daher ist die Höhe der Miete wesentlich für den Wert einer Immobilie. Daher stellt sich die Frage, ob sich die Mieten wie bisher entwickeln werden oder ob eine Trendumkehr droht? 

Viele beklagen sich über zu hohe Mieten und dass die Mietzahlungen einen zu hohen Anteil an den monatlichen Ausgaben ausmachen. Dieses Gefühl hat auch für Aufwind für Enteignungs-oder Mietpreisbremsenkampagnen geführt. Allerdings können die Statistiken dieses Meinungsbild nicht vollständig widerspiegeln: 

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft (IdW)

So stiegen der verfügbaren Einkommen im Durchschnitt stärker als die Mietkosten. Abgesehen von Berlin und München, führt dieser Effekt führt dazu, dass der Anteil der Miete am verfügbaren Einkommen insgesamt sogar sinkt.

Natürlich gibt es auch Regionen in Deutschland, in denen die Mietkosten deutlich stärker als das Einkommen gestiegen ist, aber insgesamt zeigt sich, dass die Mieten in den letzten Jahren nicht außergewöhnlich stark gestiegen sind. Auch im europäischen bzw. Internationalem Vergleich lässt sich nicht nachweisen, dass die Mieten in Deutschland besonders hoch sind.  
Dies würde dafür sprechen, dass die Mieten noch weiterhin steigen könnten, was positiv für den Immobilienmarkt wäre. 

Allerdings sind die eben genannten Statistiken zu kurz gegriffen. Es gibt einen Grund, der gegen weiter steigende Mieten in der Zukunft spricht: die Demographie.

Demographie

 

 

 

Durch den demographischen Wandel in Deutschland schrumpft die Bevölkerung insgesamt aufgrund niedriger Geburtenraten.

Quelle: Eisenmenger et al. (2006) (Statistisches Bundesamt) 

Nun wäre es zu einfach anzunehmen, dass die Immobilienpreise fallen, wenn die Geburtenrate sinkt. 
Das eigentliche Problem für den Immobilienmarkt ist die Verschiebung der Nachfrage für bestimmte Wohnflächen.  

Quelle: Just (2005) (Deutsche Bank Research) 

Die etwas kompliziert aussehende Grafik zeigt, dass die Nachfrage nach Wohnraum von drei Faktoren abhängt: Die Zahl der Haushalte, die Remanenz und die Haushaltsgröße.  
Die Zahl der Haushalte ist selbsterklärend. Wenn es insgesamt mehr Haushalte gibt, steigt die Nachfrage nach Wohnraum. In der Tat hat es hier einen sozio-kulturellen Wandel gegeben. Während es früher üblich war, dass eine große Familie mit vielen Mitgliedern eine Wohnung belebte, sind heute kleine Single-Haushalte weit verbreitet. So kann es sein, dass die Bevölkerung zwar insgesamt sinkt, aber die Zahl der Haushalte zunimmt, da durchschnittlich weniger Personen eine Wohnung bewohnen.  
Die Remanenz beschreibt den Effekt, dass, wenn Familien mit Kindern ein Haus erwerben und die Kinder dann ausgezogen sind, die Eltern dieses Haus trotzdem noch besetzen. So bewohnen eine oder zwei Personen, eine überdurchschnittlich hohe Wohnfläche. Dieser Effekt verknappt das Wohnungsangebot und wirkt dem demographischen Wandel bzw. der Abnahme der Bevölkerungszahl entgegen. 
Der letzte Faktor, der auf die Nachfrage nach Wohnraum einwirkt, ist die Haushaltsgröße. Damit ist das Bedürfnis nach Wohnraum gefragt. Wenn dieser steigt bedeutet dies, dass Menschen größeren Wohnraum nachfragen, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. 

Laut einer Studie des “Instituts für Vermögensaufbau” von Dr. Andreas Beck wird die Entwicklung dieser Faktoren dafür sorgen, dass die Nachfrage nach Wohnraum ab 2025 abnimmt, welches sich negativ auf die Immobilienpreisentwicklung auswirken wird.  
Hierbei ist es zunächst wichtig zu wissen, dass Wohnraum hauptsächlich von 30- bis 50-Jährigen gebildet wird. Jüngere haben oftmals keine finanziellen Mitteln und Ältere sind bereits mit Wohnraum versorgt oder die Finanzierung lohnt sich aus zeitlichen Gründen nicht mehr.  

Quelle: Statistisches Bundesamt

Die Babyboomer-Generation hat vor allem zur Jahrtausendwende Immobilien erworben, was ein maßgeblicher Preistreiber in den letzten zwanzig Jahren war.  
In der obigen Grafik sieht man, dass die Babyboomer-Generation zum einen die wichtigste Zielgruppe ist, zum anderen, dass sie nun knapp über 50 Jahre durchschnittlich ist und nun keinen Wohnraum mehr nachfragt. Dies bedeutet, dass die Hauptzielgruppe für Immobilienkäufe in Zukunft keinen Wohnraum mehr nachfragen wird. Stattdessen wird die Nachfrage in Zukunft von geburtenschwachen Jahrgängen getragen. Dies ist insbesondere mit dem Remanenz-Effekt gefährlich. Denn eine schwache Nachfrage künftig mit einem Angebotsrückgang einhergehen. Dieser wird eintreten, wenn der zu viel besetzte Wohnraum frei wird. Für dieses Angebot gibt es allerdings zu wenig Nachfrage, was sich negativ auf die Preise auswirken würde. 
 
Hinzu kommt auch die Beschaffenheit des Immobilienmarktes. So ist dieser sehr unflexibel und das Angebot lässt sich nicht schnell verändern. Das bedeutet, wenn die Nachfrage abnimmt, können nicht schnell Immobilien abgerissen werden. Im Gegenteil, die Finanzierung und der Bau einer Immobilie ist auf mehrere Jahre ausgelegt, sodass auch Immobilien unabhängig der Nachfrage gebaut werden. Denn selbst wenn die Nachfrage zurückgeht, können Immobiliengesellschaften nicht einfach den Bau einer Immobilie stoppen und solange warten, bis die Nachfrage wieder ansteigt. 
 

Trotz des zu erwartenden Rückgangs der Nachfrage wird schon jetzt in Deutschland sehr viel gebaut.  

Quelle: umweltbundesamt.de

Quelle: umweltbundesamt.de

In den obigen Grafiken sieht man, dass die Wohnfläche stärker steigt als die nachgefragte Wohnfläche-also das Angebot steigt stärker als die Nachfrage. In den letzten Jahren und zum aktuellen Zeitpunkt mag dies zwar Sinn ergeben, da es in vielen Städten tatsächlich noch zu wenig Wohnraum gibt. 
Der Bau von Immobilien lindert zwar die aktuellen Probleme-macht die zukünftigen allerdings größer. Denn wenn sich die Nachfrage geändert hat, wird es deutlich zu viel Angebot geben. 

Volatilität

Nun mag man einwenden, dass ein wesentlicher Vorteil bei Immobilien darin besteht, dass sie nicht schwanken und anders als der Aktienmarkt nicht einfach über Nacht einstürzen können, sodass es ein sicheres Asset ist. 
Dieser Einwand ist allerdings nur zum Teil richtig. Immobilien schwanken nämlich auch-allerdings lassen sich die Schwankungen nicht messen, weil niemand jede Minute sein Haus bewerten lässt und den Wert dann ins Internet stellt. So schwanken Immobilien also trotzdem, allerdings lässt sich diese Schwankung kurzfristig nicht beobachten. 

 

 

Dass der Immobilienmarkt aber auch deutlich fallen kann, zeigt diese Grafik über die Immobilienpreise in München. Hier sieht man, dass Immobilien fast die Hälfte an Wert verloren habe. Anders als bei Aktien verlaufen solche Abwärtsbewegungen nicht kurzfristig. So hat es für diesen Abschwung ca. 15 Jahre gedauert.

Quelle: HacklerHoffmann

Also Immobiliencrashs sind sehr unwahrscheinlich- insbesondere in Deutschland, wo der Anteil fremdfinanzierten Immobilien im internationalen Vergleich eher gering ist. So sollte sich niemand Sorge machen, dass die Immobilienpreise einstürzen werden.

Fazit

Ich persönlich wäre allerdings vorsichtig, zu optimistische Erwartungen für die Zukunft zu haben bzw. Die vergangene Entwicklung in die Zukunft einfach fortzuschreiben. So zeigt sich, dass die Nachfrage abnehmen wird, welches derzeit noch nicht in den Immobilienpreisen eingepreist ist. Auch das Risiko einer Zinserhöhung ist sehr gefährlich für den Immobilienmarkt.  
Die derzeit hohen Preise am Immobilienmarkt sorgen dafür, dass sich kaum noch eine Rendite erwirtschaften lässt und es keinen großen Spielraum für weitere Preissteigerungen mittelfristig gibt. Stattdessen stehen die derzeit hohen Preise auf einem wackligen Fundament: nämlich den mangelnden Alternativen. Dieses Standbein ist so schwach, dass jede Gegenbewegung sehr riskant für den Immobilienpreis ist. Dies können auch politische Risiken sein. Bei einem höheren CO2-Preis, beispielsweise, den der Vermieter tragen muss, wären viele Immobilienfinanzierungen nicht mehr profitabel.  
So sehe ich das Chancen/Risiken Verhältnis in der aktuellen Zeit als zu schlecht ein, um noch Immobilien zu kaufen. Natürlich kann es in Einzelfällen Sinn ergeben, wenn man z.B. eine Immobilie unterhalb der aktuellen Marktpreise erwerben kann, allerdings ist dies für die breite Masse nicht mehr möglich. 
Das Konzept der Immobilie halte ich für sehr sinnvoll, sodass es generell durchaus Sinn macht, dieses Asset in seine Vermögensstruktur zu inkludieren. Allerdings plädiere ich dafür mit dem Immobilienkauf so lange zu warten, bis die Risiken anständig eingepreist werden, sodass sich das Chancen/Risiken Verhältnis verbessert. 
In der ”Wartezeit” kann man andere Vermögensgegenstände mit einem deutlichem besserem Chancen/Risiken Profil erwerben, die wir hier auf der Seite vorstellen.